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Eine gute Geschichte: Vom Esstisch zur App
Was vor wenigen Jahren mit einer kleinen Idee aus Eigenbedarf begann, ist heute ein gemeinnütziges Familienunternehmen im Sportbereich in Deutschland. Wie kam das?
Es ist Anfang 2017. Um den guten Vorsätzen fürs neue Jahr treu zu bleiben, vereinbart Lydia ein betreutes Probetraining im Fitnessstudio. Sie möchte die Geräte und Wege einmal gezeigt bekommen, damit sie sich danach selbstständig zurechtfinden kann. Alles läuft gut doch dann der Schock.
„In meinem Vertrag wurde der Abschnitt mit der Verzichtserklärung umgeschrieben. Neben dem Trainieren auf eigene Gefahr wurde noch ergänzt, dass ich selbst bei einem Unfall durch kaputte Geräte ohne Eigenverschuldung keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder andere Ausgleiche hätte.“
Anders gesagt, wenn die Sprossenwand mitsamt Lydia aufgrund einer kaputten Verankerung auf dem Boden landen würde und Lydia sich den Arm brechen würde, wäre das Fitnessstudio fein raus. Da defekte Ausrüstung nichts mit der Sehbehinderung von Lydia zu tun hat, war sie alles andere als erpicht darauf, diesen Vertrag zu unterschreiben.
Enttäuscht von der Diskriminierung, schreibt sie darüber in ihrem Blog „Lydiaswelt.com“. Daraufhin geht der Fall durch die lokalen Nachrichten, und am Ende entschuldigt sich das in Neu-Isenburg ansässige Fitnessstudio. Doch trainieren möchte Lydia danach dort nicht mehr.
Leider ist die Auswahl in der Umgebung nicht gerade üppig. Das Fitnessstudio im Nachbarort liegt auf der anderen Straßenseite einer viel befahrenen Straße. Ohne Blindenampel. Ein anderes Studio liegt 20 Minuten zu Fuß von der nächsten Bushaltestelle entfernt. Wieder ein anderes ist zwar recht gut zu erreichen, kostet allerdings das Dreifache der anderen Studios. Frustrierend. Dagegen ist der innere Schweinehund das geringste Problem.
„Den inneren Schweinehund davon zu überzeugen regelmäßig Sport zu treiben ist schon Herausforderung genug. Doch die Barrieren lassen den Schweinehund zum geringsten Problem werden.“
Zurück ins Jahr 2022. Am Esstisch beim Abendessen geht es um Fitnessstudios, und daraufhin erzählt Lydia Max, dem Mann ihrer Tochter, die Geschichte. Dieser kann es erst gar nicht glauben. Es folgt ein langes Gespräch über Barrieren im Sport. Sie stellen schnell fest: Sich fit zu halten, wird Menschen mit Behinderung unnötig schwer gemacht. Und das, obwohl Sport nachgewiesenermaßen essenziell für die körperliche und geistige Gesundheit ist.
Aus „Da muss doch jemand was tun!“ wird im Laufe des Abends „Da müssen wir was tun!“ Nach einer Umfrage über Facebook und die E-Mail-Verteiler des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbunds (DBSV) und Blinden- und Sehbehindertenverbund Hessen (BSBH) wird schnell klar, dass es auch anderen Blinden und Sehbehinderten so geht.
„Gesagt, getan! Nach sechs Monaten Bürokratiewahnsinn ist Bewegte Inklusion Anfang 2023 offiziell gegründet.“
Zunächst standen natürlich regionale Projekte auf dem Plan. Doch schnell war klar. Die Problematik besteht in ganz Deutschland, nicht nur im Rhein-Main-Gebiet.
Mittlerweile haben wir Ende 2023. Wieder zurück am Esstisch wird überlegt, wie den Blinden und Sehbehinderten außerhalb des Rhein-Main-Gebietes geholfen werden könnte. Dank Corona ist ein neues Feld präsenter denn je: Online-Angebote. Doch in welcher Form? Wie kann die Barrierefreiheit sichergestellt werden? Über welche Plattform? Und wie soll das Ganze finanziert werden? Viele Fragen. Im Laufe der nächsten Tage finden sie Antworten auf alle Fragen. Bis auf die Finanzierung. Gemeinnützigkeit ist nicht gerade dafür bekannt, die Taschen zu füllen. Doch dann stoßen sie auf die Förderung von Aktion Mensch.
„Dank der Förderung von Aktion Mensch für das Projekt ‚Fitnesskurse zum Hören‘ können wir blinde und sehbehinderte Menschen in ganz Deutschland dabei unterstützen, fit und gesund zu bleiben!“